Profile für ein sicheres Hausdach
„Bei der Entwicklung und Fertigung von Kehlblechen kann man eine Menge Fehler machen“, erklärt ein Verantwortlicher des Auftraggebers. Kehlbleche werden immer dann benötigt, wenn zwei Flächen mit Dachziegeln in einem Winkel kleiner 180° aneinander stoßen. Es gibt sie in unterschiedlichen Ausprägungen und Materialien. Benötigt werden Sie jedoch auf fast jedem Hausdach. „Als Nahtstelle zwischen Dachziegel und Dach in Winkeln sollen sie die Verbindung bilden, Wasser führend sein, dicht halten und möglichst begehbar sein, ohne dass sich Mulden bilden, in denen sich später Wasser sammelt“, so der Experte weiter. Die Kehlbleche, die einer der weltweit führenden Zement- und Dachziegelhersteller sich vorstellte, sollten außerdem noch möglichst universell für verschiedene Spaltmaße und Winkel verwendbar sein. Keinesfalls sollten mehrere Varianten von Kehlblechen nötig sein, sondern ein Blech muss alle Einsatzfälle abdecken. Schließlich sollte die Fertigung so flexibel sein, dass der Kunde jederzeit bestimmte Losgrößen abrufen kann.
Ein universelles Kehlblech für alle Einsatzbereiche
Das Kehlblech, für dessen Fertigung die Walter Wurster GmbH in Leinfelden-Echterdingen vor sechs Jahren den Auftrag erhielt, sind 2.120 Millimeter lang und – als Flachmaterial vor dem Rollieren – 520 Millimeter breit. Das 0,5 Millimeter starke, verzinkte und pulverbeschichtete Stahlblech wird als Coil geliefert und rollt waagrecht liegend ab. Stahlblech war beim Kunden als Material Bedingung, denn die von anderen Anbietern häufig eingesetzten „Kehlbleche“ aus Kunststoff waren ihm nicht trittbeständig genug, was die Begehbarkeit eingeschränkt hätte.
Über eine Richtmaschine, die das Blech glättet geht es mit Vorschub zur Stanzpresse zum erstem Bearbeitungsschritt. Hier werden an den beiden Rändern in vier Stanzschritten Lochreihen mit je 88 variablen Löchern im Abstand von etwa 15 Millimetern gestanzt. „Hier musste eine erste konstruktive Lösung gefunden werden, damit die Lochreihen von der anschließend hergestellten Bördelung nicht wieder zugedeckt werden“, erklärt Dieter Wurster, Geschäftsführer der Walter Wurster GmbH. Die Löcher sind Langlöcher mit Stegen die aber für eine genaue Fixierung der Nägel eine Sollbruchstelle haben. Die hohe Anzahl der Löcher sichert dem Anwender größtmögliche Freiheit beim Setzen der Nägel auf einem passenden Untergrund. Nach dem Stanzen wird das Blech in der Stanzpresse auf das erforderliche Maß abgelängt.
Erfahrung und Knowhow anstelle Standard
Die gelochte Platine durchläuft nun den Rollformer mit insgesamt 15 Rollenpaaren. Zunächst durchläuft die Platine elf Rollenpaare. Dort werden zuerst die Ränder gebördelt, indem fünf Millimeter um 180° umgekantet werden. Außerdem werden auf beiden Seiten des Blechs über etwa 250 Millimeter von innen nach außen je sechs Profile rolliert, sodass das Kehlblech an diesen Stellen aussieht wie eine Ziehharmonika. Das ist notwendig, damit es später für verschiedenste Winkel einsetzbar ist. Denn nur durch die Profile ist es flexibel genug, an engeren oder weiteren als die zum Schluss gekerbten 90°-Winkel eingesetzt werden zu können. An diesen Profilen lässt sich das Kehlblech später gewollt „verbiegen“ und behält trotzdem seine wichtige, Wasser führende Funktion in der Mitte.
„Für die Herstellung der komplexen Form ließen sich keine Standard-Rollensätze verwenden, die man nur entsprechend hätte kombinieren müssen“, betont Wurster. Alle Rollenpaare sind bei Wurster teilespezifisch konstruiert und gefertigt worden. Die rund 600 Millimeter langen Rollen der ersten elf Rollenpaare sind aus hoch legiertem Werkzeugstahl gefertigt und messen im Durchmesser zwischen 100 und 140 Millimeter. Auf Präzisionsmaschinen gedreht, werden sie anschließend poliert, gehärtet und – wenn nötig – nachgearbeitet. Dass die Rollensätze bei Wurster im Haus gefertigt werden, ist Teil der Qualitätsphilosophie. „Denn nur mit einer nahezu einhundertprozentigen Fertigungstiefe haben wir die vollständige Kontrolle über das Ergebnis“, ist sich der Schwabe Wurster sicher. Die notwendigen Konstrukteure und Präzisionsmaschinen sind in Leinfelden-Echterdingen vorhanden. Denn das 1947 gegründete Unternehmen fertigt auch Hochsicherheitsschalter aus Stahl zur Übergabe von Geld, Wertgegenständen oder Dokumenten für Unternehmen, Banken, Justizvollzugsanstalten und auch Botschaften in aller Welt, die Feuer und Beschuss standhalten. Für die Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland haben die Schwaben außerdem die Fußballarenen Hamburg, München und Stuttgart mit Kartenschaltern ausgestattet. Mehr als 50 Mitarbeiter erwirtschaften am Standort Leinfelden-Echterdingen etwa 6,5 Mio. Euro Jahresumsatz. Da ist man es seit langem gewohnt stets nur die besten Maschinen und Fertigungsverfahren einzusetzen.
Mit intelligenter Rollenarchitektur erfolgreich
Erfahrung mit dem Rollformen hat man bei der Walter Wurster GmbH schon seit 1980. Für einen benachbarten großen Dachfensterhersteller fertigt man Profile für Dachfenster. So werden jährlich etliche tausend Eindeckrahmen und Flügelbleche gefertigt, bei denen zum Beispiel Stege berücksichtigt werden müssen oder Prägungen sowie Durchzüge mit gefertigt werden. Dem Kunden ist immer sehr daran gelegen, dass er mit den Produkten keine Nacharbeit hat, was aufgrund der kundenspezifischen Werkzeuge sicher gewährleistet werden kann. Die Rollensätze werden bei Wurster genau wie für die Kehlbleche mit der 3-D-Software SolidWorks konstruiert und später auf den hauseigenen Präzisions- Bearbeitungsmaschinen hergestellt.
Viel wichtiger und noch früher zu planen ist jedoch eine intelligente Rollenarchitektur. „Das war vor allem bei der Herstellung des Kehlblechs ganz entscheidend“, erinnert sich Dieter Wurster. So müssen die Profile in der Reihenfolge von innen nach außen nacheinander gefertigt werden. Wäre man anders vorgegangen oder hätte man mehrere gleichzeitig profilieren wollen, wäre das Blech gerissen. „Denn natürlich ‚verkürzt’ sich das Material mit jedem Profil.“ Die Rollenpaare eins bis elf erstellen so nacheinander die gewünschten Profile. Dabei entstehen die Profile nicht nur nach einem Rollenpaar. Viel mehr wird das endgültige Profil einer jeden Umformung in einem mehrstufigen Umformverfahren erzeugt. Jedes Rollenpaar trägt in wachsender Ausprägung mit einem Teil der Umformung zum endgültigen Profil bei. „Ganz besonders wichtig ist hier natürlich, dass man bei der Konstruktion alle Rollen im Ganzen betrachtet und die genauen Schrittfolgen sorgfältig plant und aufeinander abstimmt“, betont Wurster, „denn sind die Rollenpaare erst einmal gefertigt, sind Korrekturen nur in kleinem Umfang möglich.“
Über die nun folgenden vier großen Rollenpaare mit 400 Millimeter Durchmesser wird in einem vierstufigen Umformverfahren der 90°-Winkel erzeugt, der dem Kehlblech seine charakteristische Form gibt. Auch hier wird die endgültige Form erreicht, indem die Umformungen von Rolle zu Rolle stärker ausgeprägt werden. Das letzte Rollenpaar erzeugt schließlich die Endform.
Am Ende der Anlage entnimmt ein Mitarbeiter die mehreren tausend pro Jahr gefertigten Kehlbleche und stellt sie versandfertig. Der Kunde ist seit Jahren mit dem flexiblen Fertigungsverfahren der Walter Wurster GmbH zufrieden. Und von undichten Hausdächern an den Stellen, an denen die Kehlbleche sitzen, ist bis heute nichts berichtet worden, sodass man in Leinfelden-Echterdingen weiteren regelmäßigen Aufträgen entgegensieht.